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Was man sich erzählt!

 

 


„Sie haben ubel mit ihme gehauset“

Heerschaaren über Friedrichsdorf und Umgebung

Bis zum Dreißigjährigen Krieg blieb unsere Gegend von militärischen Auseinandersetzungen verschont, wenn es auch gelegentlich zu Requirierungen durchziehender Truppen kam. Mit Beginn des großen Religionskrieges 1618 verschärfte sich die Lage und artete schließlich in eine nicht endende Abfolge von Drangsal und Willkür aus. Es half auch nicht, dass sich die (evangelische) Landgrafschaft Homburg formal für „neutral“ erklärt hatte. Beide Parteien, die kaiserlich-katholische wie die protestantische, standen sich in ihrer Rücksichtslosigkeit nicht nach. Laut dem Satz „Krieg ernährt den Krieg“ wurden die Menschen ausgepresst, Dörfer niedergebrannt, Vieh und Ernten vernichtet. Seuchen wie die Pest entvölkerten zusätzlich ganze Landstriche.

Erstmals wütete hier 1622 die Kriegsfurie in Gestalt des Herzogs Christian von Braunschweig. Dem Ruf als „toller Christian“ machte er unrühmliche Ehre: Schutzbriefe missachtend, plünderten seine 2 000 Mann die Gehöfte aus, selbst Kirche und Rathaus blieben nicht verschont. „Ubel gehauset“ hätten sie, heißt es in Seulberger Chroniken. Das restliche Vieh stahlen andere Truppen ein Jahr später. Als dann Soldaten des kaiserlichen Generals Tilly hier Winterquartier nahmen, mussten für ihre Verpflegung eigens Rinder angekauft werden. Die Herausgabe versteckter Ersparnisse erzwang man. 

Wie die Belastung für Holzhausen aussah, belegt die Bürgermeisterrechnungen für 1623. Damals quartierte sich Leutnant Peter Kessel für mehrere Wochen ein und forderte von der Gemeinde:
Fleisch, Wein, Konfekt, Pulver, Blei, Arznei,  etc. im Wert von 2144 Gulden und 17 Albus (ca. 50000 Euro). Dazu kamen noch rund 1058 Gulden für einen Artillerie-Feldwebel. Für seine Hausfrau musste sogar eine Hausgehilfin eingestellt und Gewürze aus Frankfurt gekauft werden. Die Gemeinde versuchte möglichst, die Kriegsschäden zu ersetzen. Daher führte das Amt Hanau eine „Kriegssteuer“ ein, in deren Folge Holzhausen in vier Quartiere eingeteilt wurde mit höchstens zwanzig Haushaltungen. Wenn auch diese Steueren alle anderen Abgaben übertraf, reichte sie nie, um alle Forderungen zu zahlen.   

Noch härter traf es Seulberg im April 1626. Die Soldateska „welscher“ Herkunft nahm unter brutaler Gewaltanwendung alles nur irgend Transportable mit - was eine kurz darauf durchziehende Kompanie nicht hinderte, für drei Tage Proviant und Kleidung einzufordern. Aller materiellen Güter beraubt, waren die Dorfbewohner in den Folgejahren gezwungen, den Regimentern ihre Ernteerträge auszuliefern. Das Übriggebliebene fiel einer Mäuseplage zum Opfer. Von den Nagern wurde schließlich die Pest auf die entkräfteten Menschen übertragen. In den 56 noch stehenden Gebäuden Seulbergs lebten 1634 kaum mehr als 50 Personen. 
 
An Feldbestellung war nicht zu denken. Die Seulberger mussten sich 1638 gar hinter die schützenden Mauern von Homburg begeben. Ein zaghafter Neuanfang mit dem Ankauf von Saatgut und Ochsen ward bald wieder von versprengten schwedischen Truppen zunichte gemacht. Den Spuk erledigten kaiserliche Verbände, nicht ohne das Zurückgelassene mitzunehmen. Das Morden und Brennen beendete erst der Westfälische Frieden von 1648. Allerdings dauerte es Jahrzehnte, bis die Kriegsfolgen überwunden waren.

 

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Sagen .... was man sich so erzählt!

Das „wilde Heer“

Friedrich Wilhelm Jeckel sen. erinnerte sich 1975 noch daran, als an dunklen Abenden solche Geschichten erzählt wurden:

„In meiner frühen Kindheit, vor 60 Jahren [1975! d.R.], waren die Dämmerstunden die schönsten. An meine Urgroßmutter gelehnt, hörte ich mancherlei Geschichten. Die langen Winterabende, im November und Dezember, waren dazu besonders angetan, wenn der Wind um das Haus heulte und im Schonstein seine besondere Töne erzeugte. In der Stube brannte ein spärliches Licht. Bei diesem Heulen kuschelte ich mich näher an meine Urgroßmutter und frug nach Kinderart, woher dies beängstigende Heulen käme. Das ist das „Wilde Heer“, erklärte sie. Es jagt mit seinen Reitern durch die Lüfte über uns hinweg. Man kann sie nicht sehen, nur hören. Das „Wilde Heer“, es kam von irgendwo her und ging irgendwo hin und kam wieder. Die Fensterläden klapperten“.

 Über Seulberg tobte das rasende Heer
Abbildung Über Seulberg tobt das Rasende Heer

Die „Rauhnächte“ zwischen Weihnachten (ursprünglich 21. Dezember: Thomastag) und Dreikönigstag galten noch bis in die jüngste Vergangenheit hinein als die Zeit von Spukgeistern. Es trieben sich nicht nur bepelzte Dämonengestalten (rauh, haarig) Schabernack mit den Menschen. Hinter den nächtlichen Winterstürmen vermutete man ein Geisterheer, das mit Jagdrufen, Peitschenknallen und Hundegebell durch die Lüfte zog. Aus Angst vor den Seelen Verstorbener, versprengte man in katholischen Gegenden Weihwasser und verbrannte Weihrauch in den „Rau(ch)nächten“. Noch heute segnen die Sternsinger am Dreikönigstag die Häuser, um Schaden von Häusern, Höfen und Amtsgebäuden zu wenden. Solch ein Totenherr kennen viele Kulturkreise, in Europa glaubte man an eine „Wilde Jagd“ mit jagdlustigen Rittern und grausamen Vögten. Ein germanischer Dämon namens Wode (aus mittelhochdeutsch für „wütend“) soll das Heer anführen. In christlichen Ländern hat der „Wilde Jäger“ die Entwicklung zum Teufel, dann zu einer geschichtlichen Person durchlaufen. Die verdammten Toten müssen zur Strafe für ihre Sünden ewig spuken.

Das Geisterheer geht als typische Wandersage mit vielen regionalen Varianten um. Der Anführer heißt je nach Kulturkreis und Region anders: Hackelbernt, König Abel von Schleswig, Christian II. als Schimmelreiter von Kalundborg. In Thüringen und im Mansfeld führt Frau Holle auch die Seelen der ungeborenen Kinder mit. Im Saarland wird er mit dem grausamen Georg Wilhelm von Maldiß, einem Hochfürstlich Nassau-Saarbrückischen Oberforstmeister des 17. Jahrhunderts, gleichgesetzt. Er jagt bei St. Ingbert über die Täler von Sulzbach bis Haustadt oder an der Saar beim Litermont als Graf Maldix von Saarbrücken.

Die Wandersage vom Rasenden Geisterheer kommt im 19. Jahrhundert auch an verschiedenen Stellen Hessens vor. Variationen finden sich in der Sagensammlung der Brüder Grimm von 1816 und bei Ludwig Bechstein im Jahr 1853. Helmut Bode greift 150 Jahre später nicht nur auf diese Sammlungen zurück, sondern verwertet auch hessische Zeitschriften und Schriftquellen über die Regionen Rheingau, Nassau, Wetterau und Vogelsberg. 

Der Wilde Jäger Wode mit seinem Geisterheer war während der Rauhnächte in den Feldberg-Dörfern zu hören. Wode soll drei Straßen benutzt haben: über die Saalburg, über den Einsiedler und über den Feldberg. Zog er über den Feldberg, ertönte von weither der Ruf: „Haltet die Mittelgass‘ ein!“ Wer draußen unterwegs war, tat klug daran, sich schnell zu verbergen. Sogar die Nachtvögel flatterten ängstlich, alles Waldgetier versteckte sich im Unterholz, um den Geistern nicht zur Beute zu werden.

Ähnlich gefährlich lebt es sich im Odenwald zwischen den Burgen Schnellert und Rodenstein. Es soll einen kampflustigen Ritter von Rodenstein gegeben haben, der zu Lebzeiten ein gewaltiger Kriegsfreund war. Auch nach seiner Hochzeit lockten ihn Fehden und Kriege. Kurz vor ihrer Niederkunft, flehte seine Frau ihn ahnungsvoll an, nicht zu gehen. Er aber zog zur Burg Schnellert, um dem Feind näher zu sein. Dort erschien ihm im Nachtgraun der Geist seiner Frau, die vor Gram das Kind zu früh und totgeboren hatte. Sie verfluchte ihn: „Rodenstein!“, sprach sie. „Du hast nicht meiner, nicht deiner geschont. Der Krieg ging dir über die Liebe. So sei fortan ein Bote des Krieges fort und fort bis an den Jüngsten Tag!“ Tatsächlich fiel der Rodensteiner in der Schlacht und ward auf Burg Schnellert begraben. Seitdem muß er als Unheilsbote durchs Land ziehen, wenn ein Krieg auszubrechen droht. Dann erhebt sich dort sein Geisterheer mit lautem Jagdlärm, Pferdegewieher, Hörner- und Trompetenblasen und zieht durch die Dörfer bis zur Burg Rodenstein und kehrt erst zurück, wenn die Gefahr gebannt ist.

Das wilde Heer über Seulberg (Installation während einer Sonderausstellung im Heimatmuseum)
Das "wilde" Heer über Seulberg
(Installation während einer Sonderausstellung im Heimatmuseum)

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„.....da ist es nicht ganz just“ – Hunnen oder Hünen in der Hunburg?

„Damals, wenn es dunkel wurde, mieden die Alten [in Seulberg] die Orte wie Friedhof, Judenfriedhof, Hunburg, das alte Spritzenhaus und das Berzelloch (linke Seite des unteren Tores). Sie sagten: ‚Da ist es nachts nicht ganz just, da geht man nicht mehr nachts vorbei’.

Friedrich Wilhelm Jeckel ging leider nur exkursorisch auf die Seulberger Erzählungen ein. Heute sind die Sagen längst vergessen, nur noch wenige wissen, wo die genannten „Spukorte“ überhaupt liegen, wo einst die sogenannte Hunburg stand. Inzwischen rückte die römische villa rustica des 3. Jahrhunderts wieder in den Blickpunkt des Interesses, ist doch sogar geplant, die Grundrisse in Form einer Hecke nachzubilden.

Grabungsplan der Hunburg 1878

Grabungsplan der Hunburg: 1878 wurden Teile der Hunburg ergraben. Der Plan zeigt eine typische Landvilla der Römer, eine villa rustica.

Schon in mittelalterlichen Urkunden tauchen die Bezeichnungen Huninburg und Hundborg auf, wenngleich die Bedeutung des Namens schon damals lange nicht mehr bekannt war. In einer Urkunde des Jahres 1357 wurde sogar zwischen „Huninburg“ und „Hundburg“ als zwei unterschiedliche Anlagen unterschieden: „uf dem felde gen Sulborg bie der Huninburg“ sowie das andere „an der Hundburg“. Ausführlicher beschrieb erstmals Oberstleutnant Schmidt 1845 die Hunburg: „Etwa eine Stunde östlich von Homburg v.d.H. befindet sich in den Feldern zwischen Seulberg und Friedrichsdorf, auf der Feldmark des ersteren Orts und ziemlich in der Mitte beider Orte, eine Stelle, welche die ‚Huhnburg oder Hunnenburg’ genannt und von dem Feldwege, der von Seulberg nach dem östlichen Ende von Friedrichsdorf führt, durchschnitten wird. Die Felder, welche mit dieser Benennung bezeichnet werden, haben eine Ausdehnung von 3 – 400 Schritt im Quadrat und sind ganz mit Brocken von römischen Ziegeln, Scherben irdener Gefäße und dgl. bedeckt.“ Immer wieder blieb bei der Arbeit auf dem Feld der Pflug an Steinen, Ziegeln und Keramikscherben hängen, die aufgelesen und anschließend zum Ausbessern der Straßen verwendet wurden. „Mer hun’ ne Burg“ sollen die Bauern ausgerufen haben, als sie bei der mühsamen Feldarbeit immer wieder Mauerreste aufspürten; so erklärt sich jedenfalls der Volksmund diese Flurbezeichnung. Vielleicht boten die Mauern früher Schutz vor den Einfällen der Hunnen. „Hunne“ war aber auch eine Amtsbezeichnung für den „centenarius“.

Man glaubte aber auch, Hünen hätten hier einst gelebt, waren doch im frühen Mittelalter Steinbauten in diesen Ausmaßen unüblich. Gewaltige Kräfte mussten also hier gewirkt haben, um die Mauerblöcke aufzurichten – eben Giganten, Hünen. Wieder andere brachten die Burg mit dem Namen eines gewissen Huno in Zusammenhang und ließen um sein Leben Geschichten ranken, Sagen, die inzwischen leider vergessen sind.    

 

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Römer und Ruinen - Räuber in der Kapersburg

Gerade um die Römischen Ruinen ranken sich viele Geschichten. Man glaubte, der Pfahlgraben durchzöge die ganze Welt, so dass Menschenhände ihn nicht hätten zustande bringen können. Besonders geheimnisvoll war die Saalburg. Bei ihr taucht alle hundert Jahre aus der Erde ein Sarg mit einem sagenhaften Schatz auf. Wer diesen zu Gesicht bekommt, werfe ein weißes Tuch darüber oder einen Krumen Brot – dann kann nämlich die Totentruhe nicht so schnell wieder versinken und die darin verborgenen Schätze gehören dem glücklichenfinder. In mondhellen Nächten verjagte ein mystischer Krieger mit Schild, Speer und einem Goldhelm Holzfrevler. Versuchte man auf diese Weise die antiken Reste zu schützen?

Utensilien der Kapersburg-Räuber
Abb. Utensilien der Kapersburg Räuber

 

Ihre einstige Bedeutung war längst nicht mehr im Bewußtsein und zudem beherbergten inzwischen die römischen Mauern längst andere Bewohner. Darüber berichtete Philipp Dieffenbach 1843 in seiner Urgeschichte der Wetterau: Die Capersburg, welche man auch die Cäbersburg nennt, ist ein noch in dem Heidentum erbautes Schloß und hat so ihren Namen erhalten: In vorigen Zeiten hielt sich dort eine Bande Räuber oder Capers auf, welche die List gebrauchten, dass sie, wenn sie auf den Raub ausritten, die Eisen hinterst zu vorderst oder verkehrt anschlugen, wodurch die Rundung derselben vornen an den Fuß, die Öffnung aber hinten kam. Dadurch bekam der Hufschlag das Aussehen, als ob sie, wenn sie ausritten, in das Schloß eingeritten wären und umgekehrt. Lange Zeit hindurch konnten sie nicht ertappt werden, bis endlich ihre List entdeckt und das Schloß zerstört wurde.   

 

 

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Säunickels Kleiderschrank 

Wanderer wissen, wo im Köpperner Wald „Säunickels Kleiderschrank“ steht.

Was es damit auf sich hat, verrät ein neben der Felsgruppe aufgestelltes Schild. Demnach hatte an dieser Stelle während des Dreißigjährigen Krieges ein Schweinehirt namens Nickel seine schöne Tochter vor den Schweden versteckt. Doch das Mädchen wurde dennoch entdeckt und der Vater starb vor Gram bald nach ihrem Verschwinden.

Nach Jahren wurden die Frauenkleider des Mädchens im Felsen gefunden, der dann den Namen „Säunickels Kleiderschrank“ erhielt.

    
Säunickels Kleiderschrank im Köpperner Wald

Im Köpperner Wald steht der Felsen „Säunickels Kleiderschrank“.

Download Erzählungen zum Gedenken an Ännchen

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